GAL kritisiert GRÜNE: Bauschutt aus AKW bleibt Atommüll

Kernkraftwerk Brokdorf, Foto*

Die Lübecker Grünen sind bereit, mehrere hunderttausend Tonnen freigemessenen Abfalls aus stillgelegten Atomkraftwerken in der Deponie Niemark aufzunehmen, reden von „Bauschutt“ und nennen das „Verantwortung zeigen“. Die GAL kritisiert die Haltung der Grünen als „Verharmlosung der Risiken von Atommüll“.

„Erstaunlich wie regierungstreu die Grünen die Argumentation der Energiekonzerne übernehmen und Gegnerinnen dieser Pläne als verantwortungslos abstempeln wollen.“, wundert sich GAL-Bürgerschaftsmitglied Antje Jansen. Mit der Strahlenschutznovelle wurde 2001 die Freigaberegelung in Deutschland eingeführt. Diese ermöglicht Energiekonzernen ihre Atomkraftwerke nach Abriss zu 95-98 Prozent kostengünstig auf Mülldeponien und in -Verbrennungsanlagen zu entsorgen oder für Straßen- und Gebäudebau zu recyceln. Dabei handelt es sich bei einem AKW um insgesamt 300.000 bis 500.000 Tonnen Material in Form von Beton, Metallen, Isoliermaterial, Elektroteile, Kunststoffen, Glas oder Werkzeugen. Juristisch wurde festgelegt, dass Material, das die Freigabegrenzwerte von 10 Mikrosievert nicht überschreitet, nicht als radioaktiv eingestuft wird, selbst wenn es strahlt. „Maßgebend sind nach dem Atomgesetz also nicht die Gesetzmäßigkeiten der Physik sondern die der Politik“, heißt es in einer Broschüre der BAESH, einer Bürgerinneninitiative in Harislee.

„Wir halten es nicht für verantwortbar, freigemessene Abfälle mit geringer Radioaktivität quer durchs ganze Bundesland zu karren und auf vorhandenen Mülldeponien zu verteilen.“, äußert sich Katja Mentz als stellvertretendes Mitglied im Umweltausschuss für die GAL. „Denn über mögliche gesundheitliche Risiken ist sich die Ärzteschaft in Deutschland uneins. Es gibt einen Beschluss der Landesärztekammern und des Dt. Ärztetages aus 2018, wonach die Freigabe radioaktiven Materials auch unter dem Grenzwert von unter Zehn-Mikrosievert pro Jahr gesundheitlich bedenklich sei. Als Abgeordneter des Deutschen Ärztetages, wies Dr. Robin Maitra darauf hin, dass Strahlung atomaren Restmülls zwar ein geringes, aber zusätzliches Risiko für die Bevölkerung bedeute. Der Baseler Onkologe Claudio Knüsli spricht davon, dass es keine ungefährliche Strahlung gäbe. Hinzu kommt, es gibt keine Langzeituntersuchungen über die Risiken freigemessener AKW-Abfälle auf Deponien der Klasse I-III. Niemark würde zum Testfeld, das Risiko trägt die Bevölkerung. Dagegen wissen wir, dass im 20 km Umfeld von Atomkraftwerken die Kinderkrebsrate signifikant erhöht ist – obwohl die Strahlungsbelastung unter 10 Mikrosievert liegt. Deshalb sind wir gegen die Pläne der Landesregierung und des Energiekonzerns Vattenfall, den Müll nach Lübeck zu bringen. Mit der Deponie Ihlenberg trägt Lübeck bereits ein sehr hohes Risiko in nächster Nähe. Dort liegt unter anderem der freigemessene Schutt aus dem AKW Lubmin. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Müll nicht immer das enthält, was deklariert wurde und lediglich Stichproben zur Überprüfung durchgeführt werden.“

Juleka Schulte-Ostermann (Vorsitzende der GAL Wähler*innengemeinschaft) pocht auf einen anderen Weg. So wie in Frankreich müsse der Müll aus dem Abriss von AKW weiterhin als Atommüll behandelt werden und dürfe nicht aus Gründen der Kostenersparnis als Bauschutt deklariert und aus der Kontrolle entlassen werden. „Bisher hören wir nur, der Müll müsse auf die vorhandenen Deponien. Aus Erfahrung wissen wir allerdings, dass die Verharmlosung von Atomkraft und der Entsorgungsproblematik durch Politik und Energiekonzerne niemals zutreffend war. Deshalb bleiben wir bei unserer Haltung und fordern die Landesregierung dazu auf, eine breite und kritische Diskussion über mögliche Zwischenlösungen mit allen Beteiligten und Betroffenen zu führen und nicht einfach Fakten gegen den Willen und auf Kosten der betroffenen Bevölkerung zu schaffen.“

*Foto: Kernkraftwerk Brokdorf: Von Nightflyer – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=68194159