Straßen umbenennen

Ein interfraktioneller Arbeitskreis, kurz: „AK Straßennamen“, diskutierte rund zwei Jahre über Straßen, die nach Nazis und Antisemiten benannt wurden. Nach zweijähriger Aufarbeitung legte die Verwaltung einen Bericht vor, wonach drei Straßen zur Umbenennung empfohlen werden: Pfitznerstraße, Lenardweg und Hindenburgplatz. Nun muss die Bürgerschaft darüber entscheiden.

Unsere Fraktion GAL wird bei allen drei Namen einstimmig für die Umbenennung stimmen.

  1. 1. Paul von Hindenburg war ein anti-demokratischer, anti-republikanischer Verehrer der Monarchie. Als derjenige, der in seiner Funktion als Reichtspräsident 1933 den Nazis durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler zur Machtergreifung verhalf, sollte heutzutage keine Straße und kein Platz „ihm zu Ehren“ benannt sein.
  2. 2. Hans Erich Pfitzner war Komponist, Dirigent, Autor politischer Schriften und entwickelte sich dabei zu einem überzeugten Antisemiten, dessen Schriften sich gezielt gegen bestimmte Personen richteten. Thomas Mann schrieb 1919 über ihn: „Der nationale Künstler hatte sich zum anti-demokratischen Nationalisten politisiert.“ 1933 trug Pfitzner mit einem Aufruf gegen Mann dazu bei, dass dieser ins Exil ging.
    Im Juni 1945 rechtfertigte Pfitzner in seiner Glosse zum II. Weltkrieg Hitlers Antisemitismus indem er schrieb:
    „Das Weltjudentum ist ein Problem und zwar ein Rassenproblem, aber nicht nur ein solches, und es wird noch einmal aufgegriffen werden, wobei man sich Hitlers erinnern wird und ihn anders sehen, als jetzt, wo man dem gescheiterten Belsazar den bekannten Eselstritt versetzt. Es war sein angeborenes Proletentum, welches ihn gegenüber dem schwierigsten aller Menschenprobleme den Standpunkt des Kammerjägers einnehmen liess, der zum Vertilgen einer bestimmten Insektensorte angefordert wird. Also nicht das ‚Warum‘ ist ihm vorzuwerfen, nicht, ‚dass er es getan‘, sondern nur das ‚wie‘ er die Aufgabe angefasst hat, die berserkerhafte Plumpheit, die ihn dann auch, im Verlauf der Ereignisse, zu den Grausamkeiten, die ihm vorgeworfen werden, führen musste.“Die Lübecker Straße wurde erst um 1960 nach Pfitzner benannt. Für uns völlig unverständlich, denn seine politische antisemitische Agitation ist nicht von seinem künstlerischen Schaffen zu trennen.
  3. Philipp Eduard Anton von Lenard war Professor für Physik. 1905 wurde ihm der Nobelpreis verliehen. Als einer der ersten Wissenschaftler setzte er sich 1923 öffentlich für die NSDAP ein. Als überzeugter Antisemit war er scharfer Gegner Albert Einsteins. Mit der These: „Wissenschaft ist, wie alles was Menschen hervorbringen, rassisch, blutmäßig bedingt“, wurde er zum Wortführer innerhalb der Bewegung der ‚Deutschen Physik‘.

Für uns steht außer Frage, dass die drei Straßen umgehend umbenannt werden müssen – notfalls auch gegen den Wunsch von Anwohner*innen, denen hierbei kein materieller Schaden entstehen wird, da sämtliche Kosten für Adressänderungen durch die Stadt getragen werden. Aus unserer Sicht ist entscheidend, ob eine gesamte Stadt Personen „ehrenvoll gedenken“ möchte, die in der Historie des Nationalsozialismus an dem Leid, der Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen entscheidend mitgewirkt oder diese öffentlich unterstützt haben. Die drei genannten Namen lassen keinen Zweifel zu, wie auch Dr. Lokers vom Lübecker Stadtarchiv dargelegt hat.

Umso erstaunlicher finden wir, dass von der Fraktion der Grünen nun verlautbart wurde, es reiche ein zusätzliches Hinweisschild unter dem Straßenschild anzubringen. Was bitte soll darauf stehen, um zu rechtfertigen, dass das Straßenschild nicht einfach ausgetauscht wird? Noch im November 2015 äußerte der damalige Fraktionsvorsitzende Fürter öffentlich: „Ein Straßenschild ist immer eine Ehrung für Personen. Bei gewissen Menschen muss man überlegen, ob sie geehrt werden sollten.“ Folgerichtig müssten nach Ansicht der Grünen die Herren Hindenburg, Pfitzner und Lenard eine Ehrung verdient haben. Das können wir nicht so recht glauben und fordern die Grünen zum nochmaligen Überdenken ihrer Position auf.

Auch die SPD war in 2015 der Meinung, dass es „unsere Aufgabe als Politiker“ sei, „uns mit dem Zeitgeschehen zu befassen und moderne, historische Erkenntnisse zu berücksichtigen.“

Unsere Fraktion hält es für wichtig, dass – nicht nur in Zeiten von google maps – keine Straßennamen in Lübeck zu finden sind, die nach Antisemiten, Nazis und deren Steigbügelhaltern benannt sind und fordern alle Fraktionen auf, für eine Umbenennung der Straßen zu stimmen, wie vom AK Straßennamen empfohlen wurden.

Katja Mentz 19. Dezember 2016