Rehabilitierung homosexueller Opfer des § 175

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie am 17. Mai fordert die Lübecker GAL-Fraktion die unverzügliche Rehabilitierung und Entschädigung  aller Opfer des §175 StGB.

Hierzu erklärt Rolf Klinkel, Mitglied der Bürgerschaft und der GAL-Fraktion: „Der Paragraph 175 stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe. 1935 verschärften die Nazis die staatliche Schwulenjagd. So wurden Über 100.000 Männer polizeilich erfasst und rund 50.000 nach den Naziparagraf 175 verurteilt. Etwa 10.000  wurden in Konzentrationslager verschleppt. Mehr als die Hälfe überlebten diese Qualen nicht.

Das Ende der Naziherrschaft  bedeute aber nicht das Ende der Schwulenverfolgung in Deutschland.  Bis 1969 blieb das verschärfte Naziunrecht in Kraft und wurde erst 1994 endgültig aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Die Perversität des ›Rechtstaates‹ der frühen Bundesrepublik ging dann sogar so weit, dass nach dem Krieg manche aus den KZ befreite homosexuelle Männer wieder in Haft gerieten, wo sie ihre Reststrafe verbüßen mussten

Zwischen 1945 und 1969 führte die Strafverfolgungspraxis mit den weiterhin geltenden Nazirepressionen allein in der Bundesrepublik bis zu 50.000 Verurteilungen. Für die Betroffenen bedeutet dies durch die Haft erlittene Schädigungen an Freiheit, Leib und Seele und schwerwiegende soziale Belastungen, die vom Verlust von Arbeitsplatz und Wohnung über die Ausgrenzung in weiten Teilen der Gesellschaft bis hin zum Verlust der bürgerlichen Existenz reichen.

2002 erklärte der Bundestag die Verurteilungen gemäß des §175 aus der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig und rehabilitierte die homosexuellen Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Obwohl die Rechtsgrundlage bis 1969 die gleiche war und der Paragraph bis 1994 existierte, wurden die nach 1945 aufgrund des §175 StGB Verurteilten bisher nie rehabilitiert und nicht entschädigt.

Der §175 StGB war ein schweren Eingriff in den vom Grundgesetz geschützten unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, war eindeutig mit höherrangigem Recht unvereinbar und von Anfang an verfassungswidrig. Die Aufhebung des Paragrafen ist nicht nur rechtlich möglich und geboten, sondern auch das am besten geeignete Mittel, um die Rehabilitierung der Opfer zu erreichen, stellt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in einem Gutachten fest und sieht daher einen staatlichen Rehabilitierungsauftrag. Siehe: www.antidiskriminierungsstelle.de

Mit der Strafverfolgung Homosexueller wurden Menschen im Namen des Volkes Unrecht angetan. Der Rechtsstaat muss die Kraft haben, dieser Erkenntnis auch Wiedergutmachung folgen zu lassen  sonst verliert er seine Glaubwürdigkeit,

Es ist ein Skandal dass im demokratischen Deutschland heute noch Männer als Vorbestrafte leben müssen, nur weil sie schwul sind.“

 

Katja Mentz 16. Mai 2016