Veranstaltung zum AKW Abriss in Schleswig-Holstein
mit Angela Wolff, Campaignerin der bundesweiten Anti-Atom-Organisation .ausgestrahlt
am Donnerstag, 6. Feb. 2020 um 19:00 Uhr Ort: Große Börse, Rathaus Lübeck
Auf
Schleswig-Holstein kommt was zu! Der Abriss der Atomkraftwerke
Brunsbüttel und Krümmel sowie des Forschungsreaktors Geesthacht steht
bevor. Das AKW Brokdorf wird nach 2021 ebenfalls stillgelegt
und abgerissen.
Was
im ersten Moment nach einem Anlass zum Feiern klingt, ist für
Bürgerinnen und Bürger ein Grund, aktiv zu werden. Denn: Gehen die
Betreiber beim Abriss der Atomanlagen wie geplant vor, landen
Tausende Tonnen schwach radioaktiven Materials buchstäblich in der
Mülltonne. Atomschutt wird recycelt, auf Deponien verscharrt und in
Müllöfen verbrannt. Damit steigt die Strahlenbelastung nicht allein an
den AKWStandorten, sondern im ganzen Land – die Bevölkerung
bezahlt die billige „Atommüll-Entsorgung“ mit einem erhöhten
Gesundheitsrisiko.
In
Lübeck lehnte im November die Mehrheit der Bürgerschaftsfraktionen ab,
freigemessene Abfälle aus AKW auf der Deponie Niemark zu entsorgen. Doch
damit ist das Thema nicht vom Tisch.
GAL kritisiert GRÜNE: Bauschutt aus AKW bleibt Atommüll
Die Lübecker Grünen sind bereit,
mehrere hunderttausend Tonnen freigemessenen Abfalls aus
stillgelegten Atomkraftwerken in der Deponie Niemark aufzunehmen,
reden von „Bauschutt“
und nennen das „Verantwortung
zeigen“. Die
GAL kritisiert die Haltung der Grünen als „Verharmlosung der
Risiken von Atommüll“.
„Erstaunlich wie regierungstreu
die Grünen die Argumentation der Energiekonzerne übernehmen und
Gegnerinnen dieser Pläne als verantwortungslos abstempeln wollen.“,
wundert sich GAL-Bürgerschaftsmitglied Antje Jansen. Mit der
Strahlenschutznovelle wurde 2001 die Freigaberegelung in Deutschland
eingeführt. Diese ermöglicht Energiekonzernen ihre Atomkraftwerke
nach Abriss zu 95-98 Prozent kostengünstig auf Mülldeponien und in
-Verbrennungsanlagen zu entsorgen oder für Straßen- und Gebäudebau
zu recyceln. Dabei handelt es sich bei einem AKW um insgesamt 300.000
bis 500.000 Tonnen Material in Form von Beton, Metallen,
Isoliermaterial, Elektroteile, Kunststoffen, Glas oder Werkzeugen.
Juristisch
wurde festgelegt, dass Material, das die Freigabegrenzwerte von 10
Mikrosievert nicht überschreitet, nicht als radioaktiv eingestuft
wird, selbst wenn es strahlt. „Maßgebend
sind nach dem Atomgesetz also nicht die Gesetzmäßigkeiten der
Physik sondern die der Politik“,
heißt es in einer Broschüre der BAESH, einer Bürgerinneninitiative
in Harislee.
„Wir
halten es nicht für verantwortbar, freigemessene Abfälle mit
geringer Radioaktivität quer durchs ganze Bundesland zu karren und
auf vorhandenen Mülldeponien zu verteilen.“, äußert sich Katja
Mentz als stellvertretendes Mitglied im Umweltausschuss für die GAL.
„Denn über mögliche gesundheitliche Risiken ist sich die
Ärzteschaft in Deutschland uneins. Es gibt einen Beschluss der
Landesärztekammern und des Dt. Ärztetages aus 2018, wonach die
Freigabe radioaktiven Materials auch unter dem Grenzwert von unter
Zehn-Mikrosievert pro Jahr gesundheitlich bedenklich sei. Als
Abgeordneter des Deutschen Ärztetages, wies Dr. Robin Maitra darauf
hin, dass Strahlung atomaren Restmülls zwar ein geringes, aber
zusätzliches Risiko für die Bevölkerung bedeute. Der Baseler
Onkologe Claudio Knüsli spricht davon, dass es keine ungefährliche
Strahlung gäbe. Hinzu kommt, es gibt keine Langzeituntersuchungen
über die Risiken freigemessener AKW-Abfälle auf Deponien der Klasse
I-III. Niemark würde zum Testfeld, das Risiko trägt die
Bevölkerung. Dagegen wissen wir, dass im 20 km Umfeld von
Atomkraftwerken die Kinderkrebsrate signifikant erhöht ist –
obwohl die Strahlungsbelastung unter 10 Mikrosievert liegt. Deshalb
sind wir gegen die Pläne der Landesregierung und des Energiekonzerns
Vattenfall, den Müll nach Lübeck zu bringen. Mit der Deponie
Ihlenberg trägt Lübeck bereits ein sehr hohes Risiko in nächster
Nähe. Dort liegt unter anderem der freigemessene Schutt aus dem AKW
Lubmin. Aus der Vergangenheit wissen wir, dass Müll nicht immer das
enthält, was deklariert wurde und lediglich Stichproben zur
Überprüfung durchgeführt werden.“
Juleka Schulte-Ostermann (Vorsitzende der GAL Wähler*innengemeinschaft) pocht auf einen anderen Weg. So wie in Frankreich müsse der Müll aus dem Abriss von AKW weiterhin als Atommüll behandelt werden und dürfe nicht aus Gründen der Kostenersparnis als Bauschutt deklariert und aus der Kontrolle entlassen werden. „Bisher hören wir nur, der Müll müsse auf die vorhandenen Deponien. Aus Erfahrung wissen wir allerdings, dass die Verharmlosung von Atomkraft und der Entsorgungsproblematik durch Politik und Energiekonzerne niemals zutreffend war. Deshalb bleiben wir bei unserer Haltung und fordern die Landesregierung dazu auf, eine breite und kritische Diskussion über mögliche Zwischenlösungen mit allen Beteiligten und Betroffenen zu führen und nicht einfach Fakten gegen den Willen und auf Kosten der betroffenen Bevölkerung zu schaffen.“
*Foto: Kernkraftwerk Brokdorf: Von Nightflyer – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=68194159