Brennstoffzellen-Heizungen in der Lübecker Altstadt – das sollte klappen!

Vor sieben Wochen beantragte die Fraktion Freie Wähler + GAL, dass die Stadtwerke Lübeck ihre Wasserstoffstrategie und den Zeitplan darstellen sollen. Der Antrag wird in dieser Woche in der Bürgerschaft behandelt.

Dr. Volker Koß

„Aktuell treibt viele Menschen die Frage um, wie das Heizungssystem der Zukunft aussehen wird. Nach Expert*innenauffassung wird ein klimaneutrales Heizungssystem ein Puzzle aus unterschiedlichen technischen Lösungen sein“, so GAL-Mitglied Volker Koß, der den Antrag eingebracht hat. „Für die Menschen, die alte Lübecker Gebäude besitzen, hält die GAL den Puzzlestein „Wasserstoff-Brennstoffzellen-Heizung“ mit grünem Wasserstoff für wichtig. Diese Heizung wird im Winter das Haus mit Strom und Wärme versorgen und überschüssigen Strom ins Netz einspeisen.“

„Wir wollen möglichst schnell eine ökologisch und ökonomisch sinnvolle, lokale und pragmatische Lösung erreichen. Für die Häuser, für die Fernwärme weit weg ist oder die Wärmepumpe keine Lösung darstellt. Egal, ob sie auf der Altstadtinsel liegen, ob sie um die vorletzte Jahrhundertwende in der Adlerstraße oder an der Falkenwiese erbaut wurden oder ob es die Erbpachthäuser der 1920er oder 50er Jahre sind“, berichtet Antje Jansen.

„Von Bekannten wurde ich gefragt, ob die Wasserstoff-Brennstoffzellen-Heizung von Jules Verne oder Douglas Adams erfunden worden sei“, erzählt Volker Koß, einer der Experten der GAL für dieses Thema. Tatsächlich erwähnte Jules Verne in seinem Buch „Die geheimnisvolle Insel“ die Brennstoffzelle. Doch bereits 1838 hatte Schönbein das Prinzip der Brennstoffzelle entdeckt. Die Brennstoffzelle geriet lange in Vergessenheit. Erst 1963 wurde sie in der Raumfahrt wieder eingesetzt.

Quelle: https://www.viessmann.de/de/wissen/technik-und-systeme/brennstoffzelle.html#funktion

„Anfang Februar bekamen wir Rückmeldungen zu unserer Veranstaltung zur Wärmewende. Wir begannen daraufhin eine eigene Recherche zur Brennstoffzellen-Heizung in der Literatur, dem Internet, bei Freunden, Nachbarn, Elektrikern und Heizungsinstallateuren … Eine wichtige Rolle spielten die Gespräche auf der ImmoMeile in der Kulturwerft Gollan Mitte April, das Gutachten „Die Wasserstoffstrategie 2.0 für Deutschland“ des Öko-Instituts von 2021, das uns die Lübecker Klimaleitstelle schickte, und Telefonate mit der Firma Viessmann“, so Volker Koß.

Juleka Schulte-Ostermann

„Wir sind erstaunt, dass in der Diskussion der letzten Wochen um Gasheizungen in Presse und Fernsehen niemand die Brennstoffzellen-Heizung erwähnte. Dabei spielt die Wasserstoff-Brennstoffzelle in der Diskussion um den klimaneutralen Lastwagen-, Schiffs- und Flugverkehr eine wichtige Rolle,“ wundert sich die GAL-Spitzenkandidatin Juleka Schulte-Ostermann.

Folgendes hat die GAL bisher recherchiert:

Die Stadtwerke Lübeck geben in ihrer Informationsbroschüre „lübsch 1/2022“ die Länge ihres Wärmenetzes mit 135 km, ihres Gasnetzes mit 1142 km und ihres Stromnetzes mit 4540 km an. Die Länge des vorhandenen Wärmenetzes und das Ziel, bis 2030 rund 50 km hinzuzubauen, machen klar, dass das Netz viele Lübecker Gebäude nicht erreichen wird. Die Wärme für die vielen restlichen Gebäude muss per Gas und Strom transportiert werden.

Das Öko-Institut gibt die Länge des deutschen Erdgas-Verteilnetzes mit 522 000 km an. Das Netz teilen sich 665 Betreiber. Ob dieses Netz technisch gesehen für Wasserstoff genutzt werden kann, wovon das Öko-Institut ausgeht, wird zurzeit in Thüringen, im Emsland in Lochem (Niederlande) und sicher auch woanders untersucht. Bisher sind die Ergebnisse positiv. Das verwundert nicht, da die Gasnetze bis ca. 1975 mit Stadtgas beschickt wurden. Stadtgas enthielt in Lübeck rund 60% Wasserstoff.

Wikipedia berichtet ausführlich über unterschiedliche Brennstoffzellen und die Brennstoffzellen-Heizung. Brennstoffzellen-Heizungen erzeugen Strom und Wärme. Der Gesamtwirkungsgrad bezogen auf Strom und Wärme beträgt 85-95%. Die Heizungen gelten als leise und zuverlässig, die Einsatzbereitschaft beträgt 99%. Sie werden in Japan seit 2009 verkauft. Im August 2021 waren 400 000 Stück in Japan installiert. Der Preis wurde stark subventioniert. Er lag 2016 bei 1,35 Millionen Yen – mit dem heutigen Umrechnungskurs wären es 9 500 €, mit dem damaligen 10500 €. In Deutschland werden Brennstoffzellen-Heizungen seit 2016 von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gefördert.

Die Firma Viessmann gilt in Deutschland bei der Brennstoffzellen-Heizung mit einigen hundert Geräten pro Jahr als Marktführer. Die Internetseite der Firma ist hervorragend. Ein Video (https://www.youtube.com/watch?v=nrmzdfPuw2o) erklärt die Heizung und gibt Einblick in die manufakturhafte Herstellung. Der zurzeit verkaufte Typ Vitovalor PT2 leistet 705 W elektrisch und 0,9-32 kW thermisch. Das Gerät ist 2,03 m hoch, 1,20 m breit und 60 cm tief. Für den Transport kann es in zwei je 60 cm breite Teile zerlegt werden. Die Anschlüsse entsprechen denen einer Gasbrennwert-Heizung. Zurzeit arbeitet die Heizung mit Erdgas. Das Erdgas reagiert im ersten Schritt (im Reformer) mit Wasser zu Wasserstoff. Im zweiten Schritt wird der Wasserstoff zusammen mit Luft in der Brennstoffzelle zu Wasser umgesetzt. Dabei entstehen Strom und Wärme. Eine Erdgas-Brennwert-Heizung springt bei Spitzenbelastung zusätzlich an. Der Wasserspeicher fasst 220 l. Das Vorläufermodell kostete 2016 rund 25 000 €. Die Firma plant für 2025 eine Brennstoffzellen-Heizung, die auf Wasserstoffbasis arbeitet. Damit entfällt der erste Schritt. Die Anlage sollte kleiner werden.

Insgesamt wurden in Deutschland bis Ende 2020 über 15 000 Brennstoffzellen-Heizungen von der KfW gefördert. Zum 1.1.2023 wurde die KfW-Förderung für erdgasbasierte Brennstoffzellen-Heizungen eingestellt, da sie im Betrieb nicht klimaneutral sind. Über das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) werden jetzt Brennstoffzellen-Heizungen, die auf grünem Wasserstoff oder Biomethan basieren, mit 25% der Kosten gefördert. Ersetzt die Brennstoffzellen-Heizung eine funktionierende Öl-, Kohle-, Nachtspeicher- oder Gasheizung kommen weitere 10% dazu.

„Ist die Brennstoffzellen-Heizung eine Lösung für die Altstadt? Wir sagen Ja! – wenn wir den Wasserstoff in die Häuser bekommen“, ist Volker Koß überzeugt. „Ende April haben wir einen Gesprächstermin mit der Firma Viessmann, bei der uns das Gerät vorgeführt wird. Im Anschluss werden wir erneut berichten und Informationen auf unserer Internetseite bereitstellen.“

Weiterführende Links zum Thema:

https://www.panasonic.com/de/corporate/nachhaltigkeit/produkte-und-loesungen/wasserstoff-brennstoffzellen-fur-warme-und-elektrizitat.html#ResidentialFuelCells%20

https://www.leifiphysik.de/uebergreifend/fossile-energieversorgung/grundwissen/brennstoffzelle

https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/energieversorgung-branchenstudie-teil-der-gasspeicher-kuenftig-fuer-wasserstoff-nutzen/28420980.html?nlayer=Themen_11804704

https://www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energy-innovation-week-europas-gruenes-mega-projekt-in-der-nordsee-soll-komplette-netzinfrastruktur-fuer-wasserstoff-entstehen/29027566.html?utm_campaign=hb-morningbriefing&utm_content=15032023&utm_medium=nl&utm_source=sf

https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Die-Wasserstoffstrategie-2-0-fuer-DE.pdf

Video https://www.viessmann.de/de/produkte/brennstoffzelle/vitovalor-familie.html

https://www.viessmann-community.com/t5/Brennstoffzelle-BHKW/Gut-zu-wissen-Wie-steht-es-eigentlich-um-den-Gasverbrauch-bei/m-p/140372

https://www.youtube.com/watch?v=nrmzdfPuw2o

https://de.wikipedia.org/wiki/Brennstoffzellenheizung

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/erfurt/erneuerbare-fernwaerme-wasserstoff-gas-leitung-100~amp.html

https://www.pv-magazine.de/2022/08/19/thueringen-treibt-gruenes-wasserstoff-projekt-th2eco-voran/

https://efahrer.chip.de/news/in-diesen-haeusern-wird-jetzt-mit-wasserstoff-geheizt-und-so-gehts_1010542

https://www.dvgw.de/der-dvgw/aktuelles/meldungen/meldung-vom-31032023-dvgw-diskussionsbeitrag-wert-der-gasnetzinfrastruktur

https://www.dvgw.de/medien/dvgw/leistungen/publikationen/transformation-gasnetze-dvgw-diskussionsbeitrag.pdf