Wir trauern um Hans-Jürgen Schubert
Hans-Jürgen Schubert, Urgestein der Grünen und Lübecker Umweltbewegung und Gründungsmitglied der GAL, ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Er wird sehr fehlen, denn es gibt kein Umweltthema in Lübeck, zu dem Hans-Jürgen Schubert nicht fundiertes Wissen hatte.
Ein ihm bis heute wichtiges Thema wurde 1979 die Mülldeponie Schönberg, nachdem im Juli DER SPIEGEL berichtete, dass wenige Kilometer von Lübeck entfernt im militärischen Sperrgebiet der DDR die größte Giftmülldeponie Europas eingerichtet wurde. Diese Nachricht führte dazu, dass sich aus acht Umweltvereinen die Vereinigten Bürgerinitiativen gegen die Giftmülldeponie Schönberg gründete. Hans-Jürgen Schubert war einer der Aktiven, der praktisch Tag und Nacht mitarbeitete.
Mit der Gründung der Partei DIE GRÜNEN ging Hans-Jürgen auch diesen Weg mit, um vor allem ökologische Belange politisch zu vertreten. Als 1986 die Grünen in Lübeck zum ersten Mal in die Bürgerschaft einzogen, wurde Hans-Jürgen als Fraktionsgeschäftsführer dazu geholt und blieb dies bis 2010 ohne Unterbrechung.
Darüber hinaus war er von 1991-2003 sowie 2008-2013 Mitglied der Lübecker Bürgerschaft, wurde ehrenamtlicher Senator für Krankenanstalten und engagierte sich über all die Jahrzehnte in zahlreichen Ausschüssen. Seit 1986 war er Mitglied im Umweltausschuss (später Ausschuss für Umwelt, Sicherheit und Ordnung), dessen Vorsitz er bis 2018 – zuletzt als Mitglied unserer Wähler*innengemeinschaft grün+alternativ+links (GAL) übernahm. Denn 2016 kam es zum politischen Bruch innerhalb der Lübecker Grünen und zur Gründung der GAL, an deren Programmatik Hans-Jürgen Schubert maßgeblich beteiligt war.
Die von ihm verfolgten Themen finden sich auf den Rücken chronologisch geführter Ordner mit gesammelten Schriftstücken, Konzepten und Gutachten aus vergangenen Jahrzehnten: Lübecker Stadtwald, Flughafen Blankensee, Lübecker Grundwasser, Giftmülldeponie Schönberg, Verkehrskonzept autofreie Innenstadt, Tempo 30, Straßenbahn…, um nur einige der Themen zu nennen, mit denen er sich intensiv und beharrlich beschäftigt hatte. Ein Gutachten zur Wiedereinführung der Straßenbahn in Lübeck wurde bereits 1986 von Hans-Jürgen und seinen damaligen politischen Mitstreiter*innen in der Bürgerschaft beantragt. Ein visionäres Thema, das heute, 38 Jahre später, aktuell von allen Fraktionen ernsthaft diskutiert wird. Späte Früchte beharrlichen Ackerns. Auch für die nun erbaute Stadtgrabenbrücke als sichere Verkehrsalternative zum Lindenteller hatte Hans-Jürgen sich kontinuierlich über viele Jahre eingesetzt.
Als Hans-Jürgen Schubert 2023 in seinem Wohnquartier St. Lorenz Nord als Direktkandidat für die GAL zur Kommunalwahl antrat, wurde im Januar ein Fototermin für alle Kandidierenden vereinbart. Alle sollten einen Gegenstand mitbringen, den sie symbolisch für ihr politisches Engagement sahen. Hans-Jürgen brachte einen etwas mehr als faustgroßen Stein mit, grün-grau-rötlich-braun gesprenkelt. „Es ist der Stein des Sisyphos“, erläuterte er, der als studierter Philosoph neben seinen politischen Aktivitäten über Jahre Philosophie-Kurse an der VHS leitete. Sisyphos wurde von den Göttern, als Strafe für seinen Schalk und seinen Ungehorsam, dazu verurteilt, einen großen, schweren Stein den Berg hinauf zu wälzen. Einmal am Gipfel angekommen, rollte dieser aufgrund seines Gewichts immer wieder hinab, worauf Sisyphos seine nie enden wollende Aufgabe von vorne begann – ohne daran zu verzweifeln.
„Dieses Bild passt zu den politischen, mitunter hoffnungslos erscheinenden Mühen. Hans-Jürgen war über Jahrzehnte eine tragende, verlässliche Säule in der Lübecker Umweltbewegung. Mit Herz und Leidenschaft, Akribie und Ausdauer verfolgte er für Lübeck relevante Themen und war gefragter Ansprechpartner. Mit seiner Klugheit und seinem tiefgründigen, feinsinnigen Humor schaffte er es wie kein anderer, seine Mitmenschen zum Nachdenken und gleichzeitig zum Lachen zu bringen – selbst politische Gegenspieler. In der Politik eine seltene Gabe. Er fehlt uns und Lübeck“, nehmen seine politischen Freundinnen und Freunde Abschied.
„Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“, schrieb Albert Camus.