GAL: Erweiterung des ÖPNV jetzt in die Wege leiten!
„Die Bundesregierung hat aus Anlass einer EU-Bußgeldankündigung die Diskussion über den Nulltarif für den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) in den Städten wieder aufgenommen. Sie wird letztlich nur eine handvoll Städte modellmäßig dabei unterstützen, aber der Anstoß für Aktivitäten in Richtung Nulltarif ist zu begrüßen. Es kommt nun darauf an, dass Städte aus eigener Initiative Bedingungen für den Ausbau ihres ÖPNV im großen Maßstab schaffen.“, so Hans-Jürgen Schubert, Verkehrsexperte der GAL-Fraktion.
Hierzu stellt die GAL in der Bürgerschaft den folgenden Antrag:
„Einschätzung externer Kosten und Nutzen der Verkehrsarten in der Hansestadt Lübeck:
Der Bürgermeister wird beauftragt, der Bürgerschaft einen Bericht über externe Kosten (gesellschaftliche Folgekosten) und externe Nutzen der unterschiedlichen Verkehrsarten (mindestens ÖPNV, MIV und Fahrrad) auf der kommunalen Ebene der Stadt Lübeck vorzulegen.
Der Bericht möge bundesweit ermittelte Daten und erprobte Berechnungsmethoden nutzen – wie sie z.B. das Umweltbundesamt und vom ihm beauftragte Institute verwenden – um in Form einer Literaturstudie ohne Aufwand eigener Erhebungen einschlägige und vergleichbare überregionale Informationen auf die lokale Ebene der Stadt Lübeck mit ihren Besonderheiten umzurechnen („herunter zu brechen“).
Das Umweltbundesamt konzentriert sich von Haus aus auf externe Folgekosten in den Bereichen Umwelt, Gesundheit und spricht auch Siedlungsstrukturen, Flächennutzung und Sozialverträglichkeit an. Es empfiehlt sich, für eine Gesamtbetrachtung Erhebungen mit dem Schwerpunkt auf sozialen Parametern ergänzend hinzuzuziehen.
Der Bericht soll dazu beitragen, bei Entscheidungen über den Einsatz öffentlicher Mittel für die unterschiedlichen Verkehrsarten Hilfe zu bieten, die gesellschaftlichen Kosten der Gesamtmobilität in der Stadt zu senken und den Nutzen für die Hansestadt und ihre Einwohnerschaft zu erhöhen.“
„Entscheidend ist, dass mehr Geld für den ÖPNV im städtischen Haushalt bereit gestellt wird. Das bedeutet keineswegs automatisch eine zusätzliche finanzielle Belastung. Wenn Bürger*innen vom Auto auf den Bus umsteigen, weil der ÖPNV Vorteile bietet, sinken die Ausgaben für den motorisierten Individualverkehr (MIV).“, so Schubert (GAL).
„Denn der MIV verursacht einer Stadt ein Mehrfaches an indirekten Folgekosten als der ÖPNV: Staub und Lärm machen krank, es gibt Arbeitsausfälle mit Minderung der Wertschöpfung, Flächen für Fahrbahnen und ruhenden Verkehr sind bereitzustellen, Treibhausgase verursachen Wetterschäden usw.
Es ist nur scheinbar paradox: aber tatsächlich verbessert eine Stadt ihre finanzielle Gesamtsituation, wenn sie ihre Ausgaben für den öffentlichen Verkehr erhöht und dadurch Fahrgäste gewinnt.
Das Zahlenwerk des städtischen Haushalts zeigt nämlich nicht, wie teuer herkömmliche, so genannte „Einsparungen“ werden können. Wird eine Ausgabe gekürzt, sieht das auf den ersten Blick wie eine Verbesserung des Haushalts aus. Aber das täuscht. Das Kaputtsparen des Busverkehrs zeigt sich erst, wenn die Stadt am Autoverkehr zu ersticken droht. In Lübeck ist es auch ohne Baustellen bald so weit.
Auch die betriebswirtschaftlichen Berechnungen der öffentlichen Verkehrsbetriebe spiegeln nicht das Wohl der Stadt, sondern nur das Wohl der Firma wieder. Dem Verkehrsbetrieb kann es bei hohen Fahrpreisen und wenigen Fahrgästen wirtschaftlich gut gehen, weil er sich marktkonform verhält. Den Einwohner*innen und den städtischen Finanzen kann es dabei schlechter gehen, denn sie tragen die Folgekosten eines vermehrten Individualverkehrs. Nötig sind also mehr Fahrgäste bei geringen Fahrpreisen oder mit Nulltarif.
Der Nulltarif steht nicht in erster Linie im Dienst des Marktes, sondern im Dienst des Allgemeinwohls, und wirkt sich trotzdem, wenn er Autofahrende in relevanter Anzahl zum Umsteigen auf den Bus motiviert, positiv auf den Stadthaushalt aus.
Das Umweltbundesamt leitet daraus eine klare politische Empfehlung ab: „Positive externe Effekte (externe Nutzen) rechtfertigen eine staatliche Unterstützung, negative externe Effekte (externe Kosten) hingegen Beschränkungen dieser Aktivitäten. Dass Verkehr, insbesondere der Kfz-Verkehr, erhebliche externe Kosten verursacht, ist selbst von den Interessengruppen des Autoverkehrs unbestritten.“ („Externe Effekte des Verkehrs in Deutschland“, UBA-Texte 66/96, Berlin 1996)
Um solche wechselseitigen Abhängigkeiten der Verkehrsarten in wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Hinsicht transparent zu machen und praktisch verwendbare Zahlen zur Einleitung einer grundlegenden Wende in der Lübecker Verkehrssituation zu erhalten, stellen wir den Antrag an die Bürgerschaft, die gesamtstädtischen Kosten und Nutzen der Mobilität hier am Ort zu ermitteln.“