Trauer um Rolf Klinkel

Mit Rolf Klinkel ist im Alter von 79 Jahren ein weiteres grünes Urgestein und Mitbegründer der GAL verstorben. „Zu gern erzählte er Anekdoten aus seinem bewegten Leben, wenn wir nach politischen Sitzungen noch bei einem Bier zusammensaßen.“

Als 16-Jähriger gelang ihm die Flucht über die „Grüne Grenze“ aus der DDR, die er als Unrechtsstaat erlebt hatte, in den Westen. Hier erlernte er den Beruf des Bordelektrikers und fuhr etliche Jahre zur See. Legendär waren seine Erzählungen, wie er auf großer Fahrt die Welt entdeckte, bis ein Schlaganfall ihn ausbremste und er fortan aufgrund einer Gehbehinderung nicht mehr voll erwerbstätig sein konnte. Doch ruhig wurde es nicht in seinem Leben.

Anfang der 80-er Jahren wollte das Sozialamt ihn dazu verpflichten, für eine Mark pro Stunde seine Arbeitskraft als Elektriker zur Verfügung zu stellen. „Heranziehung zu gemeinnütziger Arbeit“ nannte man dies, hebelte dabei jedoch Arbeitnehmerrechte aus und setzte Billiglohn-Jobs durch staatliche Initiative durch, anstatt reguläre Arbeitsverhältnisse zu schaffen, durch die Betroffene aus der Sozialhilfe hätten entkommen können. Diese Form der Zwangsmaßnahmen empörte Rolf Klinkel zutiefst und er weigerte sich, als gelernte Fachkraft für einen „Hungerlohn zu schuften“, wie er es nannte. Rolf Klinkel klagte und bekam nach Jahren Recht.

Diese Erfahrung war zugleich sein Einstieg in die Politik, sein Weg führte ihn ins Fraktionsbüro der Grünen. Schon bald zeigte sich sein großes Herz und Streben nach Gerechtigkeit auch der Öffentlichkeit, als er 1989 für die Grüne Fraktion einen Sitz im Sozialausschuss wahrnahm.
Doch Rolf stand nicht nur politisch über Jahrzehnte an der Seite der Ärmsten. Mit seiner wöchentlich angebotenen, kostenlosen Sozialberatung verhalf er unzähligen Lübeckerinnen und Lübeckern ganz persönlich zu ihrem Recht, wenn diese Probleme mit dem Sozialamt hatten. Autodidaktisch arbeitete er sich tief in die Sozialgesetzgebung ein und konnte im Laufe der Jahre mit seinen juristischen Kenntnissen Fachanwälten mühelos das Wasser reichen. Regelmäßig brachte er eine Selbsthilfebroschüre heraus, ab 2005 genannt „Hartz-Reise“, in der viele Erklärungen und Tipps rund um das Sozialrecht und zahlreiche Cartoons enthalten waren, denn bei allem Ernst der Lage, kam bei Rolf der Humor nicht zu kurz. Er war jemand, der gern und oft lachte – auch über sich selbst.


1991 wurde er zum ersten Mal in die Lübecker Bürgerschaft gewählt. Insgesamt wurden es 16 Jahre, die er sich ehrenamtlich in der Bürgerschaft engagierte und als Sozialpolitiker einen Namen machte. Von 1994 bis 2018, also 24 Jahre war er zudem ununterbrochen Mitglied im Sozialausschuss, seit 2016 für die Wähler*innengemeinschaft GAL (grün+alternativ+links), die er mit gegründet und geprägt hatte, als es zum politischen Bruch mit den Lübecker Grünen kam.

Stolz war Rolf Klinkel darauf, von 2013 bis 2018 stellvertretender Stadtpräsident der Hansestadt Lübeck zu sein – als bundesweit erster bekennender schwuler Mann. Aus seiner Homosexualität machte Rolf Klinkel auch in früheren Jahren kein Geheimnis. Im Gegenteil, er kämpfte öffentlich gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen und setzte sich sein Leben lang für gleiche Rechte für alle Menschen ein. „Rolf Klinkel verdanken wir, dass am Christopher Street Day am Lübecker Rathaus das Regenbogenbanner gehisst wird. Auch die Gedenktafel am Zeughaus für im Nationalsozialismus verfolgte Homosexuelle, ist – als Forderung des CSD Lübeck e.V. – auf einen Bürgerschaftsantrag von Rolf zurückzuführen“, erinnern sich seine politischen Freundinnen und Freunde. In den vergangenen Jahren musste sich Rolf aus gesundheitlichen Gründen aus der Kommunalpolitik zurückziehen. Die Spuren seines jahrzehntelangen Engagements in Lübeck und darüber hinaus bleiben jedoch sichtbar.

Gedenktafel am Lübecker Zeughaus, Fotoquelle: Wikipedia
Katja Mentz 30. November 2024