GAL: Appell der Jugend ernst nehmen!
Vergangene Woche schlug auch der Vertreter der Jugend, Maxim Loboda, Alarm und kritisierte das Versagen der Bildungspolitik. „Als GAL hatten wir bereits im vergangenen Sommer darauf gedrängt, dass kurzfristig alle Kinder und Jugendlichen mit Bedarf digitale Hardware erhalten und mit der nötigen Infrastruktur versorgt werden, um auf erneutes Distanzlernen vorbereitet zu sein. Bis heute sind noch rund 3.000 Schülerinnen und Schüler ohne Computer oder Tablet. Das ist skandalös“, kritisiert Juleka Schulte-Ostermann, jugendpolitische Sprecherin der GAL.
„Wir stellten nach den Sommerferien 2020 entsprechende Anträge im Schulausschuss und in der Bürgerschaft“, so Katja Mentz, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss. „Von SPD und CDU wurde jedoch keine Dringlichkeit für unseren Antrag gesehen und auf das Bildungspaket vom Bund verwiesen. Da war jedoch bereits klar, dass das Geld vom Bund nicht ausreichen würde, um den hohen Bedarf zu decken.“
Sehenden Auges in die Misere
Bis heute haben in Lübeck rund 3.000 Schülerinnen und Schüler kein digitales Endgerät, um im Homeschooling zu Hause zu lernen, Aufgaben zu erledigen oder über Lernvideos selbstständig Unterrichtsstoff aufzuarbeiten oder zu recherchieren. Zwar konnten im Oktober 2.700 Tablets angeschafft und an Lübecker Schulen verteilt werden, doch war zu dem Zeitpunkt aufgrund einer Befragung an Schulen längst klar, dass der Bedarf doppelt so hoch war.
„Die Bildungspolitik versagt auf allen Ebenen. Das vergangene Jahr wurde nicht genutzt, um alle Schulen digital vernünftig auszustatten, alle Lehrkräfte fortzubilden und Schüler*innen mit Tablets zu versorgen. Es mag aufgrund von Eigeninitiative vereinzelt Ausnahmen geben, unterm Strich nehmen unsere Landes- und Bundesregierungen gerade in Kauf, dass massiv viele Kinder und Jugendliche zu Bildungsverlierern gemacht werden, während Konzerne finanziell abgesichert wurden. Wir dürfen als Stadt keinen Tag länger zusehen und müssen selbst das Geld in die Hand nehmen, um zumindest die technischen Lernvoraussetzungen für alle Kinder und Jugendlichen im Distanzlernen zu schaffen. Für die Bürgerschaft hatten wir erneut einen Antrag eingestellt und einen Finanzierungsvorschlag gemacht. Da die Januarsitzung nun ausfällt, fordern wir Bürgermeister Jan Lindenau auf, eigenständig zu handeln“, so Juleka Schulte-Ostermann.
Brief des Jugendvertreters Maxim Loboda an alle Fraktionen im Wortlaut: „Immer noch schränkt der Corona-Lockdown unser aller Leben und Miteinander enorm ein. Aus Gewohnheiten werden Sehnsüchte – in einer neuen, durch Homeoffice, Homeschooling und Social Distancing bestimmten Normalität.
Der Umgang mit einem neuen Alltag fällt allen erkennbar nicht leicht. Auch und vor allem sind die Jüngsten, die Zukunft unseres Landes, von dieser neuen Normalität hart getroffen.
Keine Freunde treffen und die meiste Zeit in den eigenen vier Wänden verbringen – dies belastet die Familien sehr und führt zu einer Zunahme häuslicher Gewalt. Einen solchen Einschnitt in ihr gewohntes Leben haben Kinder und Jugendliche in der erlebten Vergangenheit noch nie erlebt.
Vielmehr sind Eltern in doppelter Hinsicht gefordert, denn sie müssen nicht nur die eigene Arbeit managen, sondern zeitgleich Homeschooling betreiben, damit die Jüngsten in der Schule zurechtkommen – eine noch nie da gewesene Herausforderung für Jung und Alt.
Ferner sind an vielen Schulen und Universitäten Lehrende und Lernende gleichermaßen am Rand der Verzweiflung. Der gute Wille, die Schulbildung aufrechtzuerhalten, ist unendlich – die Möglichkeiten zur Umsetzung sind aber leider endlich.
Die digitale Infrastruktur, die es braucht, um Online-Lehre und Homeschooling betreiben zu können, ist vielerorts nicht gegeben. Dieser Zustand unseres Bildungssystems – im 21. Jahrhundert – ist ein Zeugnis politischen Versagens.
Besonders finanzschwache Familien leiden unter der jetzigen Situation, die den Kindern und Jugendlichen die Teilhabe- und Lernmöglichkeiten einschränkt. Da hilft auch der undurchdachte „DigitalPakt Schule“, von dem bisher nur wenige Mittel abgerufen wurden, wenig bis nichts, um die gegenwärtigen Probleme zu lösen. Einsicht ist ein erster Schritt zur Besserung, aber nur Lösungen vollbringen letztlich auch die nötigen Besserungen.
Auch die Corona-Hilfen von Bund und Ländern erreichen die Brennpunkte nur sehr langsam oder gar nicht – der Schaden, der durch Schulschließungen entsteht, wird mit jedem Tag größer.
Ich als Vertreter der Jugend und Student der Politikwissenschaft und der Soziologie erwarte einen noch nie erlebten Anstieg der Anzahl von Schulabgängerinnen und Schulabgängern ohne Schulabschluss. Besonders diejenigen, die es ohnehin schwer haben, werden die Folgen gnadenlos spüren.
Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sind aus wissenschaftlicher Sicht die notwendigen Maßnahmen, um dieses unberechenbare Virus zu bewältigen. Unsere Welt wird mit dem Coronavirus und dem neuen Alltag noch einige Zeit leben und umgehen müssen, deshalb ist ein organisierter und strukturierter Alltag in diesen Zeiten elementar.
Dieses Land muss in die Lage kommen, diesen neuen Alltag so organisieren zu können, dass die sozialen Belastungen sich nicht irgendwann so groß wie die gesundheitlichen Belastungen anfühlen. Eine bessere Alltagsorganisation stärkt gewiss die Akzeptanz der einschränkenden Maßnahmen in der Bevölkerung.
Besonders die Jüngsten brauchen jetzt eine Perspektive und eine helfende Hand, die den neuen Alltag besser organisiert. Die Organisation unseres Zusammenlebens ist eine Aufgabe der Politik, deshalb können und müssen Weisungen sowie Hilfen von der Politik kommen.
Drei Forderungen der Jugend an die Politik:
1.) Digitale Infrastruktur für den Hausunterricht schaffen: Die Mittel müssen schneller und flächendeckend bereitgestellt werden, denn jeder (Lern-)Tag zählt.
2.) Teilhabe darf keine Frage des Geldes sein: Der Kinderbonus muss verdoppelt werden, um Familien in Zeiten von Kurzarbeit und Homeschooling finanziell zu unterstützen.
3.) Freizeit- und Betreuungsangebote aufrechterhalten: Angebote wie Hausaufgabenhilfe und Freizeitangebote sind integrale Bestandteile von Bildung sowie Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen, der Zukunft dieses Landes.“