GAL fordert umfassende Information und Beteiligung der Bürger*innen
Wir lehnen die Freigabe radioaktiver Stoffe, sogenannter freigemessener Abfälle aus Atomkraftwerken und Deponierung auf Hausmülldeponien ab. Auch, wenn es sich bei dem Zwangszuweisungsplan der Landesregierung auf die Lübecker Deponie Niemark zunächst um „nur“ 250 Tonnen aus Brunsbüttel handelt, werden es innerhalb der kommenden Jahre insgesamt rund 50.000 Tonnen freigemessene Abfälle sein, die auf vier Deponien in Schleswig-Holstein entsorgt werden sollen. Es wäre naiv zu glauben, es würde bei den 250 Tonnen bleiben.
Dieses Material gilt als „freigemessen“. Was heißt das?
Es bedeutet, dass das Material die Freigabegrenzwerte von 10 Mikrosievert nicht überschreitet und als nicht radioaktiv eingestuft wird, selbst wenn es strahlt. „Maßgebend sind nach dem Atomgesetz also nicht die Gesetzmäßigkeiten der Physik sondern die der Politik“, schreibt die BI in Harislee.
Über mögliche gesundheitliche Risiken ist sich die Ärzteschaft in Deutschland uneins. Ein Beschluss der Landesärztekammern und des Deutschen Ärztetages aus 2018 hält die Freigabe radioaktiven Materials auch unter dem Grenzwert von zehn Mikrosievert für gesundheitlich bedenklich. Risiken an Krebs zu erkranken ließen sich aus dem 10 Mikrosievert Konzept nicht messen, sie könnten nur geschätzt werden. Die KIKK Studie hat jedoch belegt, dass im 20 km Umfeld von Atomkraftwerken die Kinderkrebsrate signifikant erhöht ist – obwohl die Strahlungsbelastung unter 10 Mikrosievert liegt.
Wir wissen aus Erfahrung, dass Abfälle nicht immer das enthalten, was deklariert wird. Es gab solche Vorfälle und Pannen in der Vergangenheit und es wird sie auch in Zukunft geben. Die Sicherheit, die uns die Landesregierung und das MELUND hier glauben machen will, gibt es nicht!
Auch kritisieren wir und lehnen es ab, dass „uneingeschränkt freizugebende“ Abfälle aus AKW in den Wirtschaftskreislauf kommen – also für den Bau von Straßen oder Gebäuden, aber auch für Gegenstände des Alltags recycelt in ganz Schleswig-Holstein verteilt werden sollen. Und hier reden wir bei einem Atomkraftwerk von insgesamt 300.000 Tonnen Material in Form von Beton, Metallen, Isoliermaterial, Elektroteilen, Kunststoffen, Glas oder Werkzeugen. Macht ein Gesamtvolumen von einer Million Tonnen Abfall aus drei den Atomkraftwerken in Schleswig-Holstein.
Die derzeit geltenden Grenzwerte im Strahlenschutz müssen gesenkt werden. Der BUND SH fordert eine Absenkung auf 1 Mikrosievert. Darauf basierend muss die Entsorgung von Bauschutt aus Atomkraftwerken neu gedacht und geplant werden, radioaktiver Müll darf nicht aus dem Atomrecht entlassen werden. Diese Forderung tragen wir von Lübeck nach Kiel, damit die Landesregierung sich dafür einsetzt, als oberstes Schutzziel des Strahlenschutzes die Unversehrtheit von Ungeborenen und Kindern anzusehen, wie es beispielsweise auch der BUND fordert. „Jede zusätzliche und vermeidbare Strahlenbelastung der Bevölkerung hat zu unterbleiben“, heißt es im Strahlenschutzgesetz.
Daraus folgt, dass wir nicht auf populistische Logik hereinfallen dürfen wie: das Material ist nun mal da und muss doch irgendwo hin. Wir sagen auch nicht: Schadstoffe in Lebensmitteln sind nun mal drin und wir müssen was essen, also essen wir sie. Politik ist immer noch die Sorge um die Bevölkerung, nicht um die Gewinne einiger Industriefirmen.
Die Einteilung in uneingeschränkt freigegebenes Material für Straßenbau, eingeschränktes Material und stark radioaktives dient der Entlastung der Industrie, nicht der Bevölkerung.
Aus solchen und andernorts schon genannten Gründen sagen wir als GAL Nein zu dem Konzept der Verteilung schwach-radioaktiven Materials im Land außerhalb des Atomrechts.
Deshalb also auch kein radioaktives Abrissmaterial nach Lübeck.
Als Fraktion Freie Wähler und GAL unterstützen wir die kritischen Bürgerinnen und Bürger in SH, die ein grundsätzlich neues, bürger:innenfreundlicheres und umweltverträglicheres Konzept für die Lagerung wollen.
Aus diesem Grund beantragen wir heute in der Bürgerschaft gemeinsam mit anderen Fraktionen auch die Befragung von Einwohnerinnen und Einwohnern und die grundlegende Information über die Pläne der Landesregierung sowie die Kritik, die es daran gibt.