Wasserstoff für Lübeck

Volker Koß, GAL

Die Fraktion Freie Wähler und GAL beantragt in der Bürgerschaft einen Bericht über die Wasserstoffstrategie, inklusive Zeitplan der Stadtwerke Lübeck. Im September 2023 soll spätestens darüber berichtet werden, ob und wann eine Umstellung des über 1.200 km langen Lübecker Gasnetzes von Erdgas auf Wasserstoff erfolgen wird. Über Fördermöglichkeiten des Bundes und Landes zu Umstellung des Netzes auf Wasserstoff soll ebenfalls berichtet werden.
Der Antrag stammt aus der Feder von GAL-Mitglied Dr. Volker Koß: „Erdgas wird in Deutschland aus Klimaschutzgründen noch vor 2050 durch Wasserstoff ersetzt werden. Die neuen LNG-Terminals und Leitungen werden so ausgelegt, dass sie auch Wasserstoff fähig sind. Verträge über die Lieferung von grünem Wasserstoff wurden unter anderem mit Kanada und Norwegen geschlossen. Die Erdgasspeicher, deren Füllstände seit Monaten in Rundfunk, Radio und Presse angegeben werden, können auch Wasserstoff speichern. Im Gegensatz zu Strom ist Wasserstoff in großen Mengen schon heute speicherbar.“

Pilotprojekte: Wärme mit Wasserstoff

In Berlin brannten 1826 die ersten Gaslaternen in Deutschland. Seit der Zeit floss Wasserstoff als Bestandteil des Leuchtgases, späterer Name: Stadtgas, bis zur Umstellung auf Erdgas um 1970 durch deutsche Gasleitungen. Stadtgas enthielt, je nach Gasanstalt, 40-67 % Wasserstoff. Das deutsche Erdgasnetz ist 500.000 km lang. In Forschungsvorhaben wird zurzeit im Emsland geprüft, ob die vorhandenen Gasnetze mit Wasserstoff weiter genutzt werden können. Die Forscher halten das für möglich. Auch im niederländischen Lochem wird ein innovatives Wasserstoff-Projekt unter Nutzung bestehender Erdgasleitungen durchgeführt.

Das Lübecker Gasnetz erreicht mit seinen über 1.200 km nahezu jedes Haus in der Stadt. Seine Anfänge reichen ins 19. Jahrhundert zurück. Wie wird die Energiewende in Lübeck beim Heizen aussehen?
Die Häuser in den Lübecker Vorstädten wurden im 1. und 2. Weltkrieg kaum beschädigt. Die Erbpachthäuser beispielsweise in der Gärtnergasse, in Karlshof oder Moisling sind 100 Jahre alt. Die Häuser in der Adlerstraße oder an der Falkenwiese sind noch älter. Der überwiegende Teil dieser Häuser wird mit Gas geheizt.

Verunsicherung: Was tun, wenn die Gastherme ausfällt?

Antje Jansen, GAL

„Die Verunsicherung bei Haus- und Wohnungsbesitzern ist groß“, berichtet Antje Jansen, GAL-Bürgerschaftsmitglied. „Bei unserer Veranstaltung zur Energiewende fragte ein Zuhörer, was er machen könne, wenn morgen seine alte Gasheizung ausfiele. Er erhielt vom Podium keine Antwort. Denn je nach Alter und Bauweise des Hauses und bisher genutztem Energieträger gibt es häufig keine einfache und zugleich gute Lösung. Wir wollen mit unserem Antrag die Chance nutzen, dass wir über die Nutzung von Wasserstoff – sofern das bestehende Gasnetz dafür tauglich sind – als Stadt vielleicht nicht nur Kosten beim Netzausbau sparen, sondern auch das Klimaziel erheblich schneller erreichen könnten. Deshalb wünschen wir uns einen entsprechenden Bericht von den Stadtwerken.“

Geothermie bei Neubauquartieren

Carl Howe, baupolitischer Sprecher der GAL, ergänzt: „Beim Austausch einer alten Gasheizung muss heutzutage nachgewiesen werden, dass der Energiebedarf des Hauses oder der Eigentumswohnung zu mindestens 15 % durch erneuerbare Energie gedeckt wird. Manche Stadtwerke, wie die Vereinigten Stadtwerke Ratzeburg und TraveGasPrivat15, lösen das Problem durch 15% Biogas im Erdgas. Doch der geforderte Anteil an erneuerbarer Energie wird steigen.
Eine Wärmepumpenheizung ist für die erwähnten Häuser schwierig. Die niedrigen Vorlauftemperaturen dieser Heizung erfordern riesige Heizkörper oder -flächen. Die Kosten der Umstellung und die Kosten für eine gute Dämmung sind hoch. Bei einer Eigentumswohnung kann man sich nicht einfach die Wärmepumpe auf den Balkon stellen. Der Anschluss an ein mit erneuerbarer Energie betriebenes Fernwärmenetz wird für die erwähnten Häuser nicht so schnell kommen. Die Stadtwerke beabsichtigen, 50 km neue Leitungen bis 2030 zu legen. Allein für den Netzausbau wird mit 100 Millionen Euro kalkuliert. Womit werden die Heizzentralen betrieben? Bohrungen, um Geothermie in Lübeck einzusetzen, gibt es erstmalig in dem geplanten Neubaugebiet Lauerhofer Feld, ist jedoch in dichtbebauten Quartieren wie der Lübecker Altstadt nicht denkbar.“

Energiewende gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern

„Die Energiewende wird gelingen, wenn wir Bürgerinnen und Bürger sie aktiv mitgestalten und mitarbeiten, Energie sparen und unsere Häuser und Wohnungen nutzen, um Energie zu erzeugen. Egal, ob es Photovoltaik auf dem Dach oder die Wärmekraftkopplung im Keller ist“, so Volker Koß, der sich als Umweltchemiker intensiv mit dem Thema Wasserstoffnutzung befasst hat. „In Lübeck, mit einem gut ausgebauten Strom- und Gasnetz – wenn es denn Wasserstoff tauglich ist – könnte die Kopplung sinnvoll sein. Photovoltaik auf dem Dach, die im Sommer das Haus versorgt und überschüssigen Strom ins Netz einspeist. Eine Wasserstoff-Brennstoffzellen-Heizung „im Keller“, die im Sommer ruht und im Winter das Haus mit Strom und Wärme versorgt sowie überschüssigen Strom ins Netz einspeist.“


Beim Sparen liefern die Bürgerinnen und Bürger schon. Im Januar 2023 verbrauchten sie in Schleswig-Holstein 24,6 % weniger Gas als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Das von der Klimaleitstelle angestrebte Sparziel für die Klimaneutralität liegt zurzeit bei 30 %.
„Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen“ ließ Antoine de Saint-Exupery vor 80 Jahren seinen kleinen Prinzen sagen.

Unser Antrag im Wortlaut:

2023_02_Wasserstoff-fuer-Luebeck

Katja Mentz 22. Februar 2023