Antje Jansen zum Haushalt 2020
Geehrte Frau Stadtpräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt Lübeck!
Greta Thunberg hielt bei dem Klimagipfel der Vereinten Nationen eine tief beeindruckende Rede.
Sie fragte, wie Politik es wagen könne, die jungen Menschen als Hoffnung zu bezeichnen, gleichzeitig aber nichts zu tun.
In ganz Deutschland sind am 20. September 1,4 Millionen Menschen für Klimaschutz auf die Straße gegangen. In Lübeck waren es 6.000 Menschen. Das ist die weltweit größte Bewegung für Umweltschutz, die es je gegeben hat. Das haben wir Fridays for Future und Greta Thunberg zu verdanken, denn sie sind es, die uns mahnen, endlich zu handeln und nicht nur zu reden.
Wir haben keine Zeit zu warten. Wir müssen heute handeln. Und das muss sich in jedem Haushalt, in jeder Kommune, an jedem Ort widerspiegeln.
Der Lübecker Haushaltsentwurf erscheint zunächst erfreulich, denn die Kürzungsmaßnahmen der vergangenen Jahre, insbesondere bei den Personalkosten, scheinen passé. Bürgermeister Jan Lindenau erkennt, dass Personalkürzungen dazu geführt haben, den Investitionsstau weiter vor sich her zu schieben und zu vergrößern. Diesen Irrweg, den Bürgermeister Bernd Saxe festgetreten hatte, hat Lübeck verlassen. Wir begrüßen die neuen zusätzlichen Personalstellen, die bereits im Haushalt vorgesehen sind. Wir begrüßen die vorgesehenen Investitionsmaßnahmen, die dazu beitragen sollen, den Investitionsstau abzubauen, notwendige energetische Maßnahmen bei Gebäuden zu identifizieren und durchzuführen.
Wir begrüßen, dass unsere Forderung nach Öffnung der Stadtteilbüros endlich voranschreitet und wir begrüßen auch die zusätzlichen Investitionen in sozialen und pädagogischen Bereichen. Um diesen Kurs noch weiter zu stärken, stellen wir gemeinsam mit anderen Fraktionen Anträge, wo aus unserer Sicht noch Handlungsbedarf besteht. Die Qualität in der Kinderbetreuung darf durch die Kita-Gesetzreform nicht sinken – im Gegenteil. Wir wollen weiterhin eine Qualitätsverbesserung erreichen. Wir wollen das Ehrenamt in Lübeck weiter stützen und queere Jugendarbeit in Lübeck ausbauen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Fraktion Freie Wähler und GAL steht auch hinter den Einrichtungen für Senior*innen. Wir brauchen ein städtisches Angebot, denn Wohnen sowie die Pflege und Betreuung von Menschen gehören in unserer Gesellschaft zur Daseinsvorsorge! Wir finden es unerträglich, dass immer wieder Stimmen laut werden, die Einrichtungen zu privatisieren. Was passiert denn mit den Menschen, die nicht das Geld haben, um sich privat einzukaufen? Deren Renten so niedrig sind, dass sie auf staatliche Unterstützung angewiesen sind? Würden die städtischen Angebote wegfallen, überließe man den Privaten einen „Markt“, an dem es in erster Linie um Gewinne geht. Darum darf es bei der Betreuung von Menschen jedoch nicht gehen. Wie bei der Kinderbetreuung muss es in erster Linie um Qualität gehen. Dazu gehören auch moderne Gebäude, die energetische Standards erfüllen.
Wir stehen hinter unserem Stadttheater und unterstützen selbstverständlich den Antrag auf Erhöhung des Zuschusses. Wir beantragen jedoch auch eine Erhöhung des Förderetats der Freien Kulturschaffenden, die kulturelle Vielfalt in die Stadtteile tragen.
Die Denkmalpflege in Lübeck kann nicht mehr richtig arbeiten. Dies ist in einer UNESCO Weltkulturerbe Stadt ein NO GO! Deshalb beantragen wir weitere Stellen. Die Denkmalpflege muss handlungsfähig bleiben, sonst verkommen denkmalgeschützte Gebäude zu Spekulationsobjekten.
Zurück zum Thema Umweltschutz.
Wir haben vor ein paar Monaten den Klimanotstand für Lübeck festgestellt. Notstand bedeutet, es ist dringender Handlungsbedarf, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, lieber Bürgermeister. Der Haushaltsentwurf lässt diesen dringenden Handlungsbedarf jedoch vermissen, denn wer soll handeln, wenn keine zusätzlichen Stellen in den zuständigen Bereich geschaffen werden? Wie wollen wir unser selbst gestecktes Klimaziel erreichen?
Wer soll Bäume pflanzen und pflegen?
Die Abteilung Flächenmanagement beim Stadtgrün hat erheblichen Personalbedarf angemeldet. Im Haushaltsentwurf findet sich keine einzige zusätzliche Stelle. Stattdessen soll im kommenden Jahr eine umfängliche Aufgabenüberprüfung stattfinden. Das ist schön und gut. Aber fangen wir doch heute schon mal an, denn wir wissen bereits seit längerem, dass das bestehende Personal nicht ausreicht, um all die Aufgaben wahrzunehmen. Viele Aufgaben werden zur Zeit an Fremdfirmen abgegeben. Dabei sinkt auch die Motivation der städtischen Mitarbeiterinnen. Klimaleitstelle. Derzeit arbeiten zwei Mitarbeiterinnen in Teilzeit an dem Thema, das weltweit die größte Herausforderung an die Menschheit darstellt: Klimaschutz.
Wir haben ein umfangreiches Programm zum Schutz des Klimas vor uns. Wer soll das denn bitteschön bearbeiten, wenn wir nicht in diesem Haushalt zusätzliche Stellen schaffen? HEUTE ist der Tag, an dem wir das beschließen müssen. Deshalb beantragen wir zwei zusätzliche Vollzeitstellen für die Klimaleitstelle.
Selbst die Bundesregierung hat erkannt, dass wir mehr Waldflächen brauchen, um CO2 zu speichern. Deshalb beantragen wir, mit dem Aufforsten nicht bis zum übernächsten Jahr zu warten. Es sind bereits heute geeignete Flächen vorhanden. Wir beantragen 1 Million Euro, um auf einer Fläche von 200 ha auf Lübecker Gebiet Bäume zu pflanzen. Bis diese ihre Wirkung entfalten können, vergehen 20 bis 30 Jahre. Deshalb: fangen wir heute an!
Umweltbildung ist ein ganz wichtiger Baustein. Im Jahr 2012 wurde auch mit Stimmen der SPD und CDU beschlossen, das Museum für Natur und Umwelt zum Umweltbildungszentrum zu entwickeln. Die dafür notwendige wissenschaftliche Personalstelle fehlt jedoch bis heute. Das kann doch nicht euer Ernst sein! Liebe CDU und SPD beschließt unseren Antrag!
Der Bereich Verkehr, auch das haben wir in Lübeck bereits vor Jahren festgestellt, erreicht das Klimaziel nicht. Warum nicht? Immer noch wird der Straßenraum vom Pkw dominiert. Ein zaghaftes Umdenken ist vorhanden. Wir freuen uns über den Rahmenplan und das Verkehrskonzept für die Innenstadt. Doch es reicht nicht, den individuellen Pkw-Verkehr zu beschränken. Der Bereich Verkehr, machen wir uns nichts vor, ist ein Thema, das die Bevölkerung spaltet – auch in unserer Fraktionsgemeinschaft mit den Freien Wählern vertreten wir als GAL zum Teil unterschiedliche Positionen. Was uns jedoch eint, ist die Tatsache, dass wir bessere Angebote für die umweltfreundliche Mobilität schaffen müssen. Dazu gehören ein günstiger ÖPNV, der verlässlich auch in den Abend- und Nachtstunden alle Stadtteile bedient. Um das zu erreichen beantragen wir, die Deckelung des Zuschusses beim Stadtverkehr endlich aufzuheben. Seit Jahren muss der Stadtverkehr mit einem Zuschuss von 15 Millionen Euro jährlich wirtschaften. Das Unternehmensziel war deshalb, mit diesem Betrag auszukommen. Das Ziel – auch mit Blick auf Klimaschutz – muss aber sein, dass Menschen mobil sein können, ohne auf den Pkw angewiesen zu sein.
Um Fahrradwege zu sanieren, um Radschnellwege zu bekommen, um mehr Einbahnstraßen in beide Richtungen für Fahrräder zu öffnen, um neue Radwege zu bauen…all das kostet Geld – dies hat uns das Beispiel Travemünder Allee gelehrt. Es braucht aber auch Personal, um die Maßnahmen zu planen, umzusetzen und Fördermittel zu akquirieren. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, beantragen wir nicht nur mehr Geld für Radwege, wir beantragen auch zwei zusätzliche Stellen.
Der Spagat zwischen Haushaltskonsolidierung und sozialen sowie ökologischen Anforderungen ist nicht einfach. Das Streben nach der schwarzen Null bei gleichzeitigem Investitionsstau und sozialen Erfordernissen verschiebt jedoch die Probleme von heute auf nachfolgende Generationen. Mit unseren Anträgen, liebe Kolleginnen und Kollegen, fordern wir nachhaltige Investitionen in die Zukunft – beim Sozialen UND Ökologischen. Was wir heute in Klimaschutzmaßnahmen investieren, spart Lübeck in den kommenden Jahren bei den Folgekosten der Klimakatastrophe. Geld, das wir heute in Soziales und Bildung investieren, zahlt sich in späteren Jahren mehrfach aus. Das ist allen bekannt und davon müssen wir auch das Innenministerium überzeugen.
Lasst uns gemeinsam diese Investitionen beschließen.
Einzelnen Anträgen anderer Fraktionen werden wir zustimmen. Den Bau eines Verwaltungszentrums, wie ihn CDU und SPD auf den Weg bringen wollen, lehnen wir jedoch ganz klar ab. Dieser würde zig Millionen Euro Haushaltsmittel verschlingen und auf Jahre Personalkapazitäten binden, die wir für andere Aufgaben dringend benötigen.
Es kommt natürlich darauf an, welche Anträge wir heute noch beschließen. Unsere Grundtendenz ist wir Haushaltsentwurf werden wir zustimmen.
Eine letzte Anmerkung zum neuen interaktiven Haushalt. Es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger selbstständig in Erfahrung bringen können, wie sich Ausgaben und Einnahmen in der Stadt verteilen. Das schafft Verständnis und ermöglicht mehr Mitsprache. Wer jedoch nicht geübt ist, findet Einzelmaßnahmen nicht in den Produktkonten. Deshalb haben wir die Bitte, dass die Funktion über ein einfaches Suchwort zu den Zahlen zu kommen, verbessert wird. Bisher ist dies nicht möglich.
Vielen Dank!
Anträge der Fraktionsgemeinschaft Freie Wähler und GAL
FW-und-GAL-Haushaltsbegleitbeschluss2019 FW_GAL-Haushalt-Krimi-Rat