Wasserstoff ins Erdgasnetz!
Das fünfminütige Hörspiel „Samstags auf dem Brink“ (siehe Verlinkung unten) erklärt kurzweilig, wie Strom, Wärme und Wasserstoff zusammengehören. Nur ein dreibeiniger Tisch wackelt nicht.
Wer durch Lübeck geht oder fährt, sieht oft das SPD-Wahlplakat „Klimaneutral bis 2035“. Ist es eine Forderung oder ist es ein Versprechen?
„Egal – die GAL ist dabei!“, sagt die Spitzenkandidatin Juleka Schulte-Ostermann. „Doch klimaneutral wird Lübeck erst dann sein, wenn die Gebäude nicht mehr mit Erdgas oder Erdöl beheizt werden. Doch wie, wenn nicht mit Gas, können die Altstadthäuser beheizt werden? Die Grundstücke sind oft nicht größer als das Grundmaß vom Haus. Es gibt keine Gärten, um dort eine Wärmepumpe aufzustellen. Fernwärme gibt es in der Altstadt nicht. Müssen die Leute, wie im Mittelalter, das Haus mit einem Holzofen heizen? Oder bemühen sich die Stadtwerke darum, Wasserstoff in die Altstadt zu bringen?“
Nach Angabe der Stadtwerke ist das Lübecker Wärmenetz nur 135 km lang. Bis 2030 sollen 50 km dazukommen. Es müssen noch viele Straßen aufgerissen werden, bevor das Wärmenetz einen Großteil der Gebäude versorgen kann, die heute mit Erdgas oder Erdöl beheizt werden. Das Stromnetz ist 4540 km lang. Es erreicht jeden Lübecker Haushalt und könnte ihn mit einer Wärmepumpe heizen. Doch nicht alle Häuser sind für eine Wärmepumpe geeignet. Über das Stromnetz müssen auch die Batterien der E-Kfz geladen werden. Ein Drittel der Lübecker CO²-Last erzeugt der Verkehr, ein weiteres Drittel erzeugt die Gebäudeheizung. Wenn das Stromnetz zusätzlich zwei Drittel unseres Energiebedarfs transportieren soll, muss es ausgebaut werden. Es müssen wieder viele Straßen aufgerissen werden. Wie die Lübecker Denkmalpflege und die UNESCO reagieren, wenn in den engen Straßen und Gängen der Altstadt Wärmepumpen an den Hausfassaden hängen sollen, ist vorhersehbar.
„Lübeck muss sein Erdgasnetz auf Wasserstoff umstellen, wenn wir klimaneutral werden wollen“, ist der Umweltchemiker der GAL, Volker Koß überzeugt. „Das Lübecker Gasnetz ist 1142 km lang. Seit 1993 haben die Stadtwerke 240 Millionen Euro in den Ausbau des Gasnetzes investiert. Kann es auf Wasserstoff umgestellt werden? Seit Jahren wird international untersucht, ob eine Mischung aus Erdgas und 20% Wasserstoff oder sogar reiner Wasserstoff in vorhandenen Erdgasnetzen transportiert werden kann.“
Nach dem Bericht „Climate Change 09/2023“ des Bundesumweltamtes (UBA) und Berichten des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) von 2023 können die Erdgasnetze auf reinen Wasserstoff umgestellt werden. Der DVGW ist der staatlich anerkannte Regelsetzer für die Versorgung mit Gas und Trinkwasser. „Im Gasverteilnetz stellt Wasserstoff kein großes Problem für die Stahlrohrleitungen dar. Darüber hinaus bestehen heute etwa 80% der Hausanschlussleitungen und ca. 62% der Gasleitungen aus Kunststoffrohren, die von Haus aus bis zu 100% H² geeignet sind. Allerdings müssen die Verdichterstationen und die Armaturen für eine 100%ige H²-Nutzung ersetzt werden.“ Die Verdichterstationen und die Armaturen des Gasnetzes sind oberirdisch. Um sie zu ersetzen, müssen keine Straßen aufgerissen werden. Der DVGW arbeitet daran, zu klären inwieweit Gasherde und Heizungen der Kunden ersetzt oder umgerüstet werden müssen. Die deutschen Heizungsbauer wollen 2025 Geräte auf den Markt bringen, die mit reinem Wasserstoff arbeiten können.
„Mit Wasserstoff im Gasnetz entlasten wir das Stromnetz und schaffen eine Heizung für Gebäude, für die aus baulichen oder denkmalpflegerischen Gründen eine Wärmepumpe nicht geeignet ist,“ berichtet Volker Koß. „Ich habe mir am 28. April bei Viessmann in Hamburg eine Wasserstoffzellen-Heizung, die leise mit Erdgas läuft, angesehen und mich beraten lassen. Die Brennstoffzellen liefern 16 kW Strom und 26 kW Wärme pro Tag. Zusätzliche Wärme erzeugt ein eingebautes Brennwertgerät (auf dem Bild rechts oben), das bei Bedarf automatisch anspringt. Darunter liegen die Brennstoffzellen und der Reformer. Der Reformer wandelt Erdgas in Wasserstoff um. Im linken Schrank ist der Warmwasser-Behälter. Das Gerät kostet 20 000 €. Eine Wasserstoffzellen-Heizung für reinen Wasserstoff soll 2025 auf den Markt kommen. Für mich ist diese Heizung das Schweizer Taschenmesser der Wärmewende. Wer seine alte Gasbrennwert-Heizung ausbaut, braucht keine zusätzlichen Anschlüsse für eine Wasserstoffzellen-Heizung. Nach den neuen Plänen der Ampel werden die Wasserstoffzellen-Heizung oder wesentlich billigere Brennwert-Heizungen mit 50% der Kosten gefördert, wenn sie mit reinem grünen Wasserstoff arbeiten.“
„Die GAL wird sich in der neuen Bürgerschaft dafür einsetzen, dass die Stadtwerke das Lübecker Gasnetz auf Wasserstoff umstellen“, betont die Nummer zwei der GAL-Liste, Katja Mentz. „Hamburg wird ein Knotenpunkt für Wasserstoff. Bis 2035 haben die Stadtwerke zwölf Jahre Zeit, ein Gasrohr für Wasserstoff nach Hamburg zu bauen, das vorhandene Erdgasrohr nach Hamburg auf Wasserstoff umzustellen oder – was das Umweltbundesamt den Stadtwerken empfiehlt – selbst eine Elektrolysestation fürs Lübecker Netz zu bauen. Ein Wasserstoffgasnetz ist nicht nur für die Gebäude der Altstadt, sondern auch für den Hafen, etliche Restaurants und viele andere wichtig.“
Links zu den zitierten Berichten, sowie Fragen und Antworten des Bundeswirtschafts-Ministeriums zum neuen Gebäudeenergiegesetz:
Bundesministerium für Wirtschaft: https://www.energiewechsel.de/KAENEF/Redaktion/DE/FAQ/GEG/faq-geg.html
Hörspiel: „Samstags auf dem Brink“
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